78 Zähne in 4 Stunden

Hast Du jemals einen sichtlich Fremden auf der Straße einfach angelächelt und gesagt „Willkommen in Deutschland!“ und dies einfach nur aus Nettigkeit und Nächstenliebe getan?
Denkst du beim Duschen daran, dass viele Menschen verteilt auf dieser Welt niemals die Möglichkeit haben, sich einfach mal so zu duschen und zu säubern, mit frischem und sauberem Wasser?
Hast Du jemals beim Anknipsen des Lichtschalters darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn ständige Stromausfälle deinen Alltag begleiten würden?
Hast Du jemals, wenn dir was weh getan hat und du Schmerzen hattest, darüber nachgedacht, ob Du es dir leisten kannst zum Arzt oder in ein Krankenhaus zu gehen bzw. wie es wäre, wenn es gar keins gäbe?
Hast du dich beim Arzt auch schon mal beschwert, weil du 15 Minuten warten musstest auf deinen Termin?
Hast Du jemals darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn Du auf einem komplett anderen Platz auf dieser Welt geboren wärest und Du dir die für dich jetzt selbstverständliche Dinge – hart erkämpfen müsstest? Möglicherweise dein ganzes Leben ein Kampf zum ÜBERleben geworden wäre?

Wer entscheidet Schicksale?

Viel zu viele Dinge sind für uns einfach so selbstverständlich. So Selbstverständlich, dass wir oft einfach vergessen Dankbar zu sein. Wenn wir genug zu essen haben- warum nicht mal ein Danke dafür? Sauberes Wasser, Elektrizität. Morgens aufstehen können und man ist gesund. Ist das alles so selbstverständlich? Hey du- ja genau du- Danke dass es dich gibt! Damit möchte ich nicht ans schlechte Gewissen appelieren. Aber vielleicht täte uns allen ein bisschen Gelassenheit und vor allem Dankbarkeit und Wertschätzung für die für uns so selbstverständlichen Dinge mal ganz gut.

Wie war mein Tag heute? Der Wecker klingelte um 6. Dann hieß es nacheinander eben ins Bad hüpfen zum Zähne putzen. Viel mehr ist nicht drin, wenn 6 Leute dies tun wollen. Geduscht wird am Vorabend, da im Zimmer auch welche sind, die nachts arbeiten und dann schlafen wollen. Frühstück, dann eine kurze Einweisung und dann ging es auch schon in die Jeeps. Warum sinds Jeeps und keine Autos? Tja….die lieben Strassen….die Frau am Steuer nannte sie liebevoll „Bumping-Street“. Traffic ohne Ende…Chaos, voll, laut, staubig und das alles auf einer Mega Holperpiste. Die Zahnklinik liegt außerhalb und wurde eigens von Mercy Ships errichtet. Es gibt pro Stuhl immer ein Dental-Team und ein einheimisches Team, die sich das gerade alles noch anschauen. Mercy Ships möchte nämlich, wenn sie nächstes Jahr im Senegal Ankern, dass die Zahnklinik weiter bestehen bleibt. Deswegen werden eigene Leute geschult und angelernt.

Ich habe heute mit einem Zahnarzt aus Kanada zusammengearbeitet. Neue Umgebung, neue Leute, andere Instrumente, andere Arbeitsweise und dann alles noch in Englisch. Und zwar ein „Unterm-Mundschutz-genuschelt-Englisch“. Anfangs echt schwierig. Aber für beide Seiten- und auch an den anderen Stühlen wurde viel mit Händen und Füßen geredet. Tatsächlich ist das gesamte Dentalteam aus ganz verschiedenen Ländern. Das macht es aber irgendwie auch spannend.

Und dann das eigentliche: Die Patienten werden jeden Montag und Donnerstsg gescannt- bedeutet dass sie zu Hunderten anstehen..und warten. Darauf warten, dass sie ein Armband mit einem Datum bekommen und nicht aussortiert werden. Wonach genau da gegangen wird, weiß ich noch nicht. Ich werde aber mal fragen, ob ich nächste Woche Dabeisein darf. Die Leute stehen stundenlang in der prallen Sonne…dann kommt der Jeep mit unserem Dentalteam dort an und die Leute lachen und klatschen. Und irgendwie…irgendwie fühlt sich das falsch an. Man fühlt sich unwohl. Klar- ihnen zu helfen ist ein schönes Gefühl. Und wenn sie Dir nach einer Reihenextraktion (keine Ahnung..10-15 Zähne auf einmal ziehen) die Hand schütteln und auf die Schulter klopfen…puh. Im Kopf vergleicht man das die ganze Zeit mit daheim, wo oft nicht mal ein Danke kommt.

Wir haben heute übrigens 78 Zähne gezogen. Also „mein“ Zahnarzt und ich. Die anderen Teams sicher auch. Gearbeitet haben wir aber nur 4 Stunden heute, weil vorher noch diese Kennlernmeerings usw. waren. Übrigens: Der Strom war andauernd weg. Deswegen arbeiten wir gar nicht mit OP-Lampwn sondern lediglich mit kleinen Taschenlampen auf der Stirn. Wenn Strom weg, dann funktioniert auch kein Sauger. Und kein Bohrer. Es wird trotzdem weitergemacht. Draußen warten die Leute.

Ich bin gespannt, was der Tag morgen bringen wird. Danke für den heutigen Tag und gute Nacht! 🙂

 

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